Unterstützung von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt in Marzahn-Hellersdorf

In der BVV am 30.06.22 hat unsere Bezirksverordnete Chantal Münster anlässlich des Pride Month im Juni bereits folgende Fragen an das Bezirksamt gestellt:

1. Welche Maßnahmen ergreift das Bezirksamt zur Unterstützung von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt, zum Empowerment von LSBTIQ+ und zur Bekämpfung von LSBTIQ+-Feindlichkeit?

Das Bezirksamt plant die Besetzung der/des Beauftragten für die Angelegenheiten von queeren Menschen. Schwerpunkte bilden hierbei Überprüfung aller Planungen, Anordnungen und Maßnahmen im Bezirk, um Diskriminierungen von Menschen aufgrund ihrer Vielfältigkeit, insbesondere der vielfältigen sexuellen und geschlechtlichen Identität entgegenwirken zu können und gleichzeitig Möglichkeiten der Partizipation zu eröffnen. Zudem soll der Bezirkliche Plan gegen Homo-, Bi, Trans- und Queerfeindlichkeit umgesetzt werden. Im Haushaltsplanentwurf, der aktuell vom Abgeordnetenhaus beraten wird, befinden sich zudem Mittel für ein Regenbogenzentrum im Bezirk.

Der Bezirk hisst die Regenbogenfahne seit vielen Jahren für mehrere Wochen und setzt damit ein deutliches Zeichen für Vielfalt im Bezirk. Seit 2020 hisst das Bezirksamt auch die Regenbogenflagge zum Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie bzw. -feindlichkeit am 01.05.

Marzahn-Hellersdorf als ein Ort der Vielfalt tritt ein für die Vielfalt sexueller und geschlechtlicher Lebensweisen von Lesben, Schwulen, Trans- und Intermenschen und stellt sich gegen jegliche Form der Diskriminierung. Für die Bekämpfung von LSBTI-Feindlichkeit gibt es einen engen und regelmäßigen Austausch mit der Polizei.

Über eine Zuwendung der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten wird seit 2020 das Projekt “Lesben in Marzahn-Hellersdorf stärken” umgesetzt. Das Projekt hat das Ziel lesbische und queere Frauen zu empowern und die Lebensrealitäten von queeren Frauen sichtbarer zu machen. Das Bezirksamt unterstützt den Marzahn Pride 2023, der ein zentrales Element für mehr Sichtbarkeit und Empowerment von queeren Personen in Marzahn-Hellersdorf darstellt.

Im Bereich der Jugendhilfe spielt die geschlechterreflektierte Kinder- und Jugendarbeit eine wichtige Rolle. In allen Kinder- und Jugendeinrichtungen und auch im Bereich Streetwork werden junge Menschen in ihrer persönlichen Entwicklung begleitet, sie erhalten Orientierung, können Erfahrungen und Erlebtes austauschen und sich bei Fragen zur Lebenswegplanung von den Fachkräften beraten lassen. Die Fachkräfte achten auf eine offene Atmosphäre in den Einrichtungen und darauf, dass sich jeder junge Mensch, unabhängig vom Geschlecht, Hautfarbe, kultureller Herkunft, Behinderung und sexueller Orientierung ernst und wahrgenommen fühlt und keine Formen von Diskriminierung und Ausgrenzung erfolgen. Insbesondere die Altersgruppe der 13-18Jährigen bedarf einer großen Unterstützung, da diese sich zumeist in Bezug auf ihre eigene Sexualität noch unsicher sind. Hier gilt es zu unterstützen und ggf. weiterzuleiten.

Die „Grundsätze und Richtlinien für die Arbeit in den Jugendfreizeiteinrichtungen des Bezirkes Marzahn-Hellersdorf“ und auch die „Leit- und Handlungsrichtlinien für die geschlechterdifferenzierte Kinder- und Jugendarbeit in Marzahn-Hellersdorf“ bieten den Fachkräften eine erste Orientierung. Letztgenannte Leitlinien werden derzeit in einem dialogischen Prozess innerhalb der AG geschlechterreflektierte Kinder- und Jugendarbeit vor dem Hintergrund der fachlichen und gesetzlichen Entwicklungen im Bereich LSBTIQ überarbeitet. Die AG ist auch Anlaufstelle und Diskussionsort für alle Fachkräfte im Bezirk, die Unterstützung und auch Fortbildungen in diesem Bereich benötigen. Dabei ist der Träger Dissens – Pädagogik und Kunst im Kontext e.V. ein wichtiger Ansprechpartner, wenn es um Jungen*arbeit geht und die Einrichtungen Hella-Klub für Mädchen und junge Frauen von KILELE gGmbH und das Projekt „Helle Girls!“ von Kids & Co e.V. sind wichtige Ansprechpartnerinnen, wenn es um Mädchen*arbeit geht.

Seit Frühjahr 2022 gibt es das Projekt „QUIDS*“ von Dissens – Pädagogik und Kunst im Kontext e.V., finanziert aus dem Projekt „Partnerschaften für Demokratie“, welches ein neues Beratungs- und Gesprächsangebot für queere Kinder und Jugendliche aus Marzahn-Hellersdorf ist. Aber auch in anderen Jugendeinrichtungen (z.B. Jugendfreizeiteinrichtung (JFE) Energy, JFE Treibhaus) gibt es Anlaufstellen für queere junge Menschen. Mit dem QUIDS*-Projekt wird der Versuch unternommen, ein queeres Angebot für junge Menschen an einem separaten Ort (und nicht innerhalb einer koedukativen Einrichtung) zu installieren, um die Gelegenheit zu einem intensiven Austausch zu geben.

Auch im Bereich der Hilfen zur Erziehung wurden ambulante und stationäre Hilfen zur Erziehung mit geschlechterreflektiertem Bezug implementiert, wobei Geschlechterreflexion als fester Bezugspunkt in der pädagogischen Arbeit auch strukturell verankert wurde. Methodisch werden hierbei, neben dem systemischen Ansatz, altersspezifische vorherrschende Geschlechterbilder pädagogisch aufgearbeitet, um eine Entlastung von stereotypen Geschlechtsanforderungen für die Kinder- und Jugendhilfe (wieder) herzustellen.

Weiterhin ist in der Familienförderung/Familienbildung der Diversity-Ansatz – also der bewusste Umgang mit Vielfalt in der Gesellschaft – prioritär. Alle familienfördernden Institutionen sind offene Angebote und damit in der allgemeinen Beratung, ggf. Verweisberatung, für jegliche Nachfragen tätig. Hierbei wird in enger Kooperation mit Trägern, die sich insbesondere im Beratungsangebot auf LSBT, LSBTI, LSBTIQ, LSBTI – Regenbogenfamilien aufgestellt haben, zusammengearbeitet (z.B.: Lesben Leben Familie e.V. (Leslefam e.V.); insbesondere Zuzugsfrauen über Marie e.V. – Rosa Frauenberatung; SOS – Familienzentrum verfolgt den “Regenbogenfamilienzentrenansatz”).

Bei der Wahrnehmung der Aufgabenbereiche in der Abteilung SchulSportWeiKultFM (z.B. Auftragsvergaben, Personaleinstellungsverfahren, Grundstücksverkehr) werden alle einschlägigen rechtlichen Vorgaben und Verwaltungsvorschriften gegen Diskriminierung und zur Förderung von LSBTGIQ+ gewissenhaft verfolgt und sind selbstverständlicher Bestandteil der Behördenkultur.

Darüber hinaus werden im Rahmen der Zuständigkeit und der Aufgaben des Fachbereiches Kultur Ausstellungen organisiert und Events durchgeführt, die für Respekt und Akzeptanz gegenüber der Vielfalt an Lebensweisen unserer Gesellschaft werben.

2. Welche Maßnahmen ergreift das Bezirksamt für 2022/2023, um die IGSV (Initiative „Berlin tritt ein für Selbstbestimmung und Akzeptanz geschlechtlicher und sexueller Vielfalt“) in Marzahn-Hellersdorf umzusetzen?

Ziel der IGSV ist es, einen Prozess der Auseinandersetzung mit LSBTI-Feindlichkeit in der Gesellschaft zu initiieren, Selbstbestimmung und Teilhabe von LSBTI-Menschen in der Gesellschaft zu ermöglichen sowie Toleranz, Akzeptanz und Respekt vor geschlechtlicher und sexueller Vielfalt und unterschiedlicher Lebensentwürfe und -erfahrungen zu erwirken. In diesem Sinne arbeitet das Jugendamt daran, junge Menschen bei ihrer Identitätsfindung zu begleiten, sie zu unterstützen und zu stärken.

Vier Schulen des Bezirks nehmen Teil am Projekt „proRespekt – gewaltfreie Schule demokratisch gestalten“, in dem vorhandene Instrumente um LSBTIQ-Themen erweitert wurden (Paavo-Nurmi-GS, Marcana-Schule (Gemeinschaftsschule), Kolibri-Grundschule, Grundschule am Schleipfuhl).

3. Zu welchem Zeitpunkt wird der*die Queerbeauftragte seine*ihre Arbeit im Bezirksamt beginnen?

Beginn der Anstellung ist der 01.07.2022.

4. Inwiefern finden LSBTIQ+-Anliegen in den bezirklichen Museen, bei bezirklichen Ausstellungen und anderen Formen bezirklicher Kultur Berücksichtigung?

Im Bezirksmuseum Marzahn-Hellersdorf wurde in Ausstellungen, Veranstaltungen und Publikationen an die Lebensgeschichte von Charlotte von Mahlsdorf erinnert. Im Ausstellungszentrum Pyramide wurden LSBTIQ+ Aspekte in Ausstellungen eingebracht:

  • 22.08. – 26.09.2021 WEGE NACH MARZAHN-HELLERSDORF – Erinnerungen l Perspektiven l Transkulturalität. In der Ausstellung werden acht Menschen mit ihren persönlichen Lebenswegen portraitiert. Unter ihnen ist ein aus Russland stammender LSBTIQ+Aktivist.

  • 08.06. – 18.09.2020 DICKES B Berlin Sichten – Eine fotografische Hommage zum 100. Geburtstag. Eine der vier Fotograf:innen, die Berlinerin krizzi with the k!, hat seit 2004 das Berliner Nachtleben, mit Fokus auf die queere Clubszene, dokumentiert.

  • Im Schloss Biesdorf wird es ab dem 04.09.2022 eine große Ausstellung mit Arbeiten u. a. des schwulen Künstlers Jürgen Wittdorf geben. In dieser Ausstellung + Begleitprogramm stehen LGBT+ Themen im Fokus.

  • Im September 2022 wird es auch eine “Schlossrevue”, mit Künster:innen der LGBT+Community geben.

  • LesLeFam e.V. hatte 2021 einen Filmabend im BIZ organisiert und 2 queere Lesungen in Bibliotheken.

Der Verein kooperiert mit den Bibliotheken in Marzahn-Hellersdorf, es soll weitere Lesungen geben und es ist geplant mehr queere Bücher anzuschaffen, sowohl für Kinder und Jugendliche als auch Erwachsene. Zudem arbeitet LesLeFam auch mit dem Jugendamt zusammen und stellt Materialien zu Regenbogenfamilien der Marzahn-Hellersdorfer-Familienförderung vor.

In 2021 gab es über LesLeFam einen queeren Ausflug in die Gärten der Welt, geplant ist dies auch für 2022.

5. In welcher Zahl sind dem Bezirksamt LSBTIQ+-feindliche Vorfälle oder Übergriffe in Marzahn-Hellersdorf für die Jahre 2018, 2019, 2020 und 2021 bekannt?

Die Registerstelle zur Erfassung rechtsextremer und diskriminierender Vorfälle Marzahn-Hellersdorf hat für die Jahre 2018 bis 2021 Vorfälle wie folgt erfasst:

 

Jahr

Erfasste Fälle

2018

4

2019

3

2020

8

2021

12

Ergänzung zum Jahr 2021: Rund um das Mahnmal beim ehemaligen NS-Zwangsarbeiter:innenlager am Wuhlewanderweg in Biesdorf wurden ab Herbst 2021 mehrfach LGBTIQ*-feindliche und NS-verherrlichende Schmierereien festgestellt. Im Vergleich zum Vorjahr hat die Zahl der Meldungen LGBTIQ*-feindlichen Vorfälle leicht zugenommen. Neben den oben erwähnten wiederholten Schmierereien in Biesdorf gab es einen Vorfall im UKB. Dort wurden heimlich Bilder einer schwerverletzten trans Frau aufgenommen, die kurz darauf an den Folgen ihrer Verletzungen verstarb. Die Bilder sind anschließend in sozialen Netzwerken veröffentlicht worden.

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