Zur Umsetzung der schulischen Inklusion in Marzahn-Hellersdorf

Unsere schulpolitische Sprecherin und Vorsitzende im Schulausschuss, Anne Thiel-Klein hat beim Bezirksamt nachgefragt, zum Stand der Schulischen Inklusion in Marzahn-Hellersdorf und wie der Offene Brief des Berliner Bündnisses für schulische Inklusion vom 01.05.2022 bewertet wird. In diesem wurden starke Irritationen geäußert zur Antwort auf eine Schriftliche Anfrage im Abgeordnetenhaus, wonach die „Inklusion in Berlin für die Grundstufe bereits vollständig umgesetzt“ sei.

Frage 1: Welche Grundschulen in unserem Bezirk sind von der baulichen und personellen Voraussetzung her so aufgestellt, dass ihnen eine inklusive Beschulung möglich ist?

Bauliche Voraussetzungen:

Die vollständige Umsetzung einer baulich inklusiven Schule für alle Beeinträchtigungen ist grundsätzlich nicht möglich, weil sich die baulichen Anforderungen für die verschiedenen Beeinträchtigungen z.T. widersprechen. Inklusive und integrative Beschulung findet grundsätzlich bereits statt. Sie ist im Übrigen auch möglich, wenn an einem Schulstandort die baulichen Voraussetzungen für Barrierefreiheit noch nicht vorhanden sind, da dies beispielsweise für die inklusive Beschulung von Kindern und Jugendlichen der sonderpädagogischen Förderschwerpunkte „Sprache“, „Lernen“ und „Emotionale und soziale Entwicklung“ im Sinne der Barrierefreiheit für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen nicht erforderlich ist. Die Umsetzung der Barrierefreiheit bzw. schwerpunktmäßigen baulichen Inklusion erfolgt sukzessive im Rahmen von in der Regel investiven Sanierungs- und Ausbaumaßnahmen gemäß den rechtlichen Vorgaben des Landes Berlin. Der Anlage ist der aktuelle Sachstand bzgl. der öffentlichen Schulen des Bezirkes zu entnehmen.

Für Hochbaumaßnahmen des Bezirksamtes Marzahn-Hellersdorf werden die baurechtlichen Vorgaben in Hinblick auf die Barrierefreiheit berücksichtigt und eingehalten. Dies betrifft im Wesentlichen die Bauordnung für Berlin (BauO Bln) und die DIN 18 040 Teil 1. Über die geltenden Rechtsgrundlagen hinaus wird gemäß dem Rundschreiben SenStadt VI A Nr. 03/2010 der Planungsleitfaden „Design for All“ Vertragsgrundlage bei der Beauftragung von freiberuflichen Leistungen und wird somit verbindliche Grundlage für die Planung. Wesentliche Inhalte des Leitfadens sind bauliche Elemente, die den erforderlichen Bewegungsfreiraum und die sichere Erreichbarkeit von Gebäuden für Menschen mit Beeinträchtigungen wahren sollen, sowie allgemeine Anforderungen an die Orientierung im Gebäude, Informationssysteme, Belichtung und Beleuchtung, Lichtqualität sowie Akustik und Kommunikation. Bereits mit der Erstellung von Vorplanungs- und Entwurfsplanungsunterlagen finden Gespräche mit den zuständigen Beauftragten für Menschen mit Behinderung auf Bezirksebene bzw. Landesebene statt. Die Einhaltung der Qualitätsstandards „Design for All“ gilt für Neubauten. Diese Standards werden in der Bezirksverwaltung auch sinngemäß im Gebäudebestand bei der Planung von Umbauten oder Modernisierungen angewandt.

Personelle Voraussetzungen:

Alle Schulen der Region Marzahn-Hellersdorf besitzen die Voraussetzungen um eine inklusive Beschulung grundsätzlich umzusetzen.

Frage 2: Innerhalb welchen Zeitraums wäre es umsetzbar, sämtliche Grundschulen baulich so zu ertüchtigen (Barrierefreiheit), dass eine Beschulung aller Kinder möglich wäre und in welcher Höhe müssten hierfür schätzungsweise finanzielle Mittel aufgewendet werden?

Bei sämtlichen Schulsanierungen wird die Barrierefreiheit berücksichtigt und nach den Richtlinien, soweit baulich möglich, umgesetzt. Siehe hierzu auch die Beantwortung zu Frage 1. Ist eine Schule nicht vollständig barrierefrei erschließbar (z.B. mangels Aufzugsanlage), wird das Erdgeschoss barrierefrei (gemeint hier rollstuhlgerecht) ausgebildet, so dass es schulorganisatorisch möglich ist, betroffene Kinder ausschließlich in diesem Geschoss zu beschulen und beeinträchtigte Lehrkräfte nur in diesem Bereich einzusetzen.

Schulneubauten werden grundsätzlich barrierefrei geplant und umgesetzt.

Die durch den Bezirk aufgestellten temporären Schulcontainer und Modulbauten sind, mindestens im Erdgeschoss (analog sanierte Schulen; siehe oben) rollstuhlgerecht ausgeführt.

Bei der Benennung der Kosten muss jeder Einzelfall betrachtet werden, da Maßnahmen zur Schaffung von Barrierefreiheit je nach Beeinträchtigung zu orientieren sind. Allgemeine Vorgaben gibt es nur für Geh- und Sehbehinderung. Alleine für Baumaßnahmen in diesem Zusammenhang, wie Aufzug, Rampen, kontrastreiche Markierungen, Behinderten-WC, müssen derzeit mit einem Orientierungswert von ca. 1,5 Mio. € (vorbehaltlich der im Moment massiv steigenden und nicht zu prognostizierenden Baukosten) pro Grundschule angenommen werden. Hierzu ist aber anzumerken, dass die Umsetzung dieser Maßnahmen grundsätzlich nicht gesondert als Einzelmaßnahme, sondern nur im Rahmen einer größeren Sanierung- bzw. Ausbaumaßnahme erfolgen kann. Mit der Umsetzung besteht in der Regel kein Bestandsschutz mehr, so dass weitere Maßnahmen entsprechend der aktuellen baurechtlichen Vorgaben zwingend mit umgesetzt werden müssen. Daraus ergeben sich größere investive Maßnahmen, die ab einer Größenordnung von 5,5 Mio. Euro auch als gezielte I-Maßnahmen beim Senat angemeldet werden müssen.

Maßnahmen mit Kosten in dieser Größenordnung kann der Bezirk nur langfristig umsetzen. Angesichts der laufenden Schulbauoffensive sind zudem die Möglichkeiten für zusätzliche Investitionsmaßnahmen sehr begrenzt.

Frage 3: Wie ist die Ausstattung mit Schulhelfer*innen und entsprechend ausgebildetem pädagogischen Personal (Lehrkräfte und Erzieher*innen) an unseren bezirklichen Schulen, wie hoch ist der Bedarf und wie viele Vollzeitäquivalente sind tatsächlich im Einsatz?

Ziel des Einsatzes von Schulhelfern oder Schulhelferinnen ist es, Kindern und Jugendlichen mit einer Behinderung durch Maßnahmen der ergänzenden Pflege und Hilfe einen erfolgreichen Schulbesuch zu ermöglichen und ihr Recht auf Bildung und Erziehung gemäß § 2 Schulgesetz zu sichern. Bei der Feststellung von sonderpädagogischen Förderbedarf wird dieser Unterstützungsbedarf auch schon mit der Vergabe einer Förderstufe geprüft.

Der Region Marzahn-Hellersdorf steht für die ergänzenden Pflege- und Hilfemaßnahmen (Schulhilfe) ein Budget von 1.586 Stunden zur Verfügung. Die Verteilung der Stunden an die Schulen erfolgt nach Prüfung der Anträge über das SIBUZ.  Es wird auch die personelle Ausstattung der Schule bzw. der Klasse berücksichtigt oder die Möglichkeit einer Ressourcenbündelung (z.B. zwei Kinder mit Diabetes in einer Klasse) geprüft.

Frage 4: Wie bewertet das Bezirksamt den Offenen Brief des Berliner Bündnisses für schulische Inklusion vom 01.05.2022, in dem starke Irritationen zur Antwort auf die Schriftliche Anfrage im Abgeordnetenhaus (DS 19/11048), wonach die „Inklusion in Berlin für die Grundstufe bereits vollständig umgesetzt“ sei, geäußert wird?

Gemäß Schulgesetz von Berlin §3 (SchulG) sollen „Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf … gemäß § 29 Abs. 2 vorrangig im gemeinsamen Unterricht mit Schülerinnen und Schülern ohne sonderpädagogischen Förderbedarf oder in Schulen oder Klassen mit einem entsprechenden sonderpädagogischen Förderschwerpunkt (Förderschulen oder Förderklassen), durch Ganztagsangebote oder Ganztagsschulen gemäß § 18 Abs. 5, durch die Berücksichtigung des besonderen Unterrichtsbedarfs gemäß § 109 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 und durch individuelle Hilfen besonders gefördert werden.“

In der Sonderpädagogikverordnung § 33 SopädVO heißt es unter Punkt (1) aber auch: „Die Erziehungsberechtigten wählen im Rahmen des bestehenden schulischen Angebots, ob das Kind oder die Schülerin oder der Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf eine allgemeine Schule oder eine Schule mit sonderpädagogischem Förderschwerpunkt besuchen soll.“

Somit haben die Eltern ein Wahlrecht und können das sonderpädagogische Förderzentrum als geeignete Schulform für Ihr Kind wählen. In der Region Marzahn-Hellersdorf gibt es 2 Förderzentren mit dem Schwerpunkt „Geistige Entwicklung“ und 1 Förderzentrum mit dem Schwerpunkt „Lernen“.

Die inklusive Beschulung ist eine dynamische Aufgabe und erfordert immer wieder Anpassungen im schulischen Kontext, da sich die Bedarfe der Kinder und Jugendlichen ändern können. Bei Schulplatzanfragen unterstützen die Schulleitungen und das Schulamt sowie die Schulaufsicht.

Alle Schulformen halten Schulplätze für Kinder mit sonderpädagogischen Förderbedarfen vor. Um die vorhandenen Ressourcen zu bündeln und effektiv einzusetzen, hat z.B. die Pusteblume-GS entschieden, sich zu einer inklusiven Schwerpunktschule „GE“ zu entwickeln. Dieses Angebot wird gut von den Eltern auch außerhalb des Einzugsbereiches angenommen.

Für unsere Region kann nicht bestätigt werden, dass es Schüler:innen mit sonderpädagogischen Förderbedarfen ohne Schulplatz gibt.
Es ist nicht auszuschließen, dass es über einen gewissen Zeitraum zu Kürzungen der Förderstunden kommt. Die Schulen finden aber Möglichkeiten, um ein Mindestmaß an Förderung anzubieten und die vorhandenen Stunden in anderen Gruppenkonstellationen anzubieten.

Durch das Programm „Stark trotz Corona“ erhalten die Schulen zusätzliche Mittel, die zur Unterstützung und Förderung eingesetzt werden können. So werden temporäre Lerngruppen möglich, um im Schulalltag Entlastung für z.B. Kinder mit herausforderndem Verhalten zu installieren.

Die Schulhilfestunden für Kinder orientieren sich am Bedarf der Pflege und Hilfe im schulischen Alltag. Schulhelfer übernehmen keine erzieherischen oder pädagogischen Aufgaben. Der Schulhelfereinsatz ist eine schulorganisatorische Maßnahme. Er erfolgt vorrangig gruppenbezogen und orientiert sich am Bedarf der ergänzenden Pflege und Hilfe der Betroffenen. Priorität hat die Bereitstellung der Leistungen für ergänzende Pflege und Hilfe in der inklusiven Beschulung (Mobilität, Mobilisierung, Toilettengang, Hygiene, Nahrungsaufnahme, Gebrauch von Unterstützungsmitteln, Medikation, An- und Auskleiden, Begleitung von Unterrichtsvorhaben).

Mit der Festschreibung der inklusiven Beschulung 2004 haben die Schulen schrittweise die Unterrichtung in heterogenen Lerngruppen umgesetzt. Trotz allem gibt es Schüler:innen, die darüber hinaus angepasste individuelle Lernangebote benötigen, um erfolgreich lernen zu können. In Zusammenarbeit mit dem Jugendamt gibt es in Marzahn-Hellersdorf zahlreiche Angebote an den Schulen, die die Arbeit der Pädagog:innen vor Ort unterstützen.

Das Bezirksamt sieht einerseits die Fortschritte, die auf dem Weg zur inklusiven Beschulung bereits erfolgt sind. Andererseits arbeitet das Bezirksamt gemeinsam mit SenBJF an der weiteren Verbesserung der baulichen und personellen Situation. Wie beschrieben, handelt es sich hierbei um einen dynamischen Prozess, um das bestmögliche Lernumfeld für jede:n Schüler:in zu erreichen.

Frage 5: Welche weiterführenden Schulen in unserem Bezirk sind von der baulichen und personellen Voraussetzung her so aufgestellt, dass ihnen eine inklusive Beschulung möglich ist?

siehe Antwort zu Frage 1 und Anlage

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