Europaparlament fordert Kursänderung bei Eurorettung: Altschuldentilgungsfonds und Fonds für nachhaltiges Wachstum

Das Plenum des Europäischen Parlaments hat am 13. Juni dem Ausschuss für Wirtschaft- und Währung (ECON) das Mandat zu den Trilog-Verhandlungen mit Rat und Kommission zum Economic Governance-Double Pack (“Two-Pack”) erteilt. Die erste Verordnung (Ferreira-Bericht) gestaltet die Regeln für die Mitgliedsstaaten im Defizitverfahren aus. Die zweite definiert erstmals Regeln für Länder unter den Rettungsschirmen wie Griechenland, Portugal und Irland (Gauzès-Bericht).

Zum Abstimmungsergebnis erklärt Sven Giegold, finanz- und wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament und Schattenberichterstatter für den Gauzès-Bericht:
“Mit der Verabschiedung des Two-Pack hat das Europäische Parlament heute eine klare und konstruktive Antwort auf die einseitige Europa-Krisenpolitik des Rates gegeben.

Kernstücke des Ferreira-Berichts sind Regeln zur Einrichtung eines Schuldentilgungsfonds (Redemption Fund), ein Fahrplan zu Eurobonds, sowie ein EU-Fonds zur Förderung nachhaltiger wirtschaftlicher Entwicklung.
Der Schuldentilgungsfonds basiert auf einem Vorschlag des deutschen Sachverständigenrats. Dieser Fonds ermöglicht es Euroländern, die nicht unter dem Rettungsschirm sind, günstiger Geld an den Kapitalmärkten aufzunehmen, sofern sie strikten Bedingungen folgen. Dadurch verschafft der Fonds diesen Länder mehr Luft zum Atmen und erleichtert den Schuldenabbau. Außerdem fordert das Parlament einen Fahrplan konkreter Maßnahmen mit dem Ziel Stabilitätsanleihen einzuführen. Ein Fonds in Höhe von 1% des BIPs der EU-Mitgliedsstaaten soll die nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung in den Mitgliedsstaaten fördern, ohne die eine erfolgreiche Haushaltskonsolidierung nicht machbar sein wird.

Darüber hinaus verbessert der Ferreira-Bericht die Berichterstattung über die Haushaltspolitik
der Mitgliedsstaaten. Auf Grüne Initiative wird in diesem Rahmen zukünftig offengelegt, welche finanziellen Mittel ein Mitgliedsstaat bereitstellt, um die EU 2020-Ziele zu erreichen.
Mit einer soliden Mehrheit aus Sozialdemokraten, Liberalen, Linken, Grünen und einem Teil der Konservativen hat das Plenum diese weitreichenden Beschlüsse angenommen, gegen die Stimmen anderer Konservativer und der CDU/CSU, die den Schuldentilgungsfonds ablehnen.

Die kürzlich von der Kommission veröffentlichten Prognosen zur wirtschaftlichen Entwicklung in Europa verdeutlichte die Eskalation der Eurokrise. Die bisherige Krisenpolitik ist damit ökonomisch gescheitert. Dieser wirtschaftspolitischen Irrfahrt von Kommission und Mitgliedsstaaten, allen voran der Bundesregierung, setzen die Two-Pack-Beschlüsse eine Alternative entgegen. Nun liegt es an Kommission und Rat, sich in den anstehenden Trilog-Verhandlungen konstruktiv zu verhalten, damit diese Beschlüsse möglichst schnell Gesetz werden können.

Der Gauzès-Bericht strafft die Regeln zur Haushaltskonsolidierung für die Krisenstaaten. Demnach soll die Kommission bei ihrer Beobachtung wirtschaftliche Einflüsse auf ein Krisenland, die ihre Ursache in einem anderen Mitgliedsstaat haben (sog. Spillover-Effekte), verstärkt berücksichtigen. Zudem müssen Mitgliedsstaaten die finanzielle Unterstützung erhalten, ausführlich über ihre Haushaltsplanung Rechenschaft ablegen, bis sie mindestens drei Viertel der finanziellen Unterstützung zurückerstattet haben.

Mehrere Punkte ergänzen die notwendigen Regeln zur Haushaltskonsolidierung: Die Rolle des Europäischen Parlaments im Entscheidungsprozess wird gestärkt. Der Grüne Vorschlag für besonderen Schutz von Ausgaben für Bildung und Gesundheitsversorgung im Rahmen der Einsparungen wurde aufgenommen. Die Sparbemühungen sollen außerdem durch ein Partnerschaftsabkommen flankiert werden. In dessen Rahmen können Mitgliedsstaaten und Kommission durch Kooperation über Strukturfonds und Europäische Investitionsbank finanzielle Mittel für Investitionen mobilisieren.

Das zu veröffentlichende Reformprogramm der Mitgliedsstaaten soll eine Analyse der sozialen Folgen der angestrebten Reformen beinhalten. Auch wird zivilgesellschaftlichen Organisationen und Sozialpartnern das Recht zu Stellungnahme zu den Reformprogrammen eingeräumt. Damit etabliert der Gauzès-Bericht Standards zur Rechenschaftspflicht, die beim Internationalen Währungsfonds (IWF) bereits praktiziert werden. Diese Punkte sollen direkt nach Inkrafttreten der Verordnung in den Krisenländer anwendbar sein und können einen wichtigen Beitrag zur wirtschaftlichen und politischen Stabilisierung dieser Länder leisten.”

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